Recht aktuell

Hier informieren wir Sie über aktuelle Themen aus Rechtsprechung und Gesetzgebung, die von breitem praktischen Interesse sind. Wir haben dies übersichtlich kurz gestaltet, z.T. mit einer ersten Handlungsempfehlung, stehen Ihnen aber selbstverständlich gerne für eine vertiefte individuelle Beratung zur Verfügung. Bei Bedarf melden Sie sich bitte bei einem unserer Anwältinnen oder Anwälte.

Elektronische AU-Bescheinigung (eAU), Gesetz ab 01.01.2023

Nach mehrjähriger Testphase wird ab dem 01.01.2023 für gesetzlich Krankenversicherte die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verpflichtend eingeführt. Was bedeutet das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Bislang sah das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) vor, dass Arbeitnehmer bei einer länger als drei Kalendertage andauernden Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen hatten, und zwar an dem darauffolgenden Arbeitstag. Der Arbeitgeber war dabei berechtigt, die Vorlage der Bescheinigung bereits früher zu verlangen, also auch schon am ersten Krankheitstag.

Diese Pflicht entfällt nun – bis auf wenige Ausnahmen - für gesetzlich Krankenversicherte, während für privat Krankenversicherte alles beim Alten bleibt. Beim Alten bleibt es für alle ohnehin bei der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit: Hier besteht unverändert die Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich, d.h. sofort und noch vor Arbeitsbeginn, mitzuteilen. Die Unterlassung dieser Anzeige kann wie bisher sanktioniert werden, und zwar zunächst mit einer Abmahnung, bei wiederholten Verstößen auch mit einer (verhaltensbedingten) Kündigung.

Für gesetzlich Krankenversicherte besteht jedoch ab dem 01.01.2023 die Pflicht, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen, wobei die bislang vom Arbeitnehmer zu beachtenden Zeitpunkte gleich bleiben, also am ersten Arbeitstag nach einer länger als drei Kalendertage andauernden Arbeitsunfähigkeit oder früher, soweit der Arbeitgeber dies verlangt hat. Letzteres kann der Arbeitgeber also weiterhin, und zwar sowohl im Einzelfall als auch generell, dann aber unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte eines etwaigen Betriebsrats. Ob eine bisherige Anordnung, bereits ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, nun dahingehend umgedeutet werden kann, dass die ärztliche Feststellung ebenfalls am ersten Tag zu erfolgen hat, kann nicht sicher prognostiziert werden. Daher ist es im Zweifel besser, eine solche Anordnung nochmals ausdrücklich (nachweisbar) zu treffen.

Hat der gesetzlich Krankenversicherte die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen, übernehmen der Arzt oder das Krankenhaus die elektronische Übermittlung an die gesetzliche Krankenkasse und der Arbeitgeber fragt die Daten sodann dort ab, wobei Grundlage hierfür die ordnungsgemäße Anzeige der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer ist. Allerdings sieht der Arbeitgeber dann nicht, bei welchem Arzt der Arbeitnehmer war, hat also auch keine Möglichkeit mehr, auf auffällige Bescheinigungen durch einschlägig bekannte Ärzte zu reagieren und mit dieser Begründung Untersuchungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen anzuregen. Der gesetzlich Versicherte erhält hingegen weiterhin eine Bescheinigung in Papierform, um seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen zu können, wenn z.B. mit der elektronischen Bescheinigung etwas nicht funktioniert.

Auch bei gesetzlich Krankenversicherten wird allerdings noch nicht lückenlos eine eAU ausgestellt. Weiter erforderlich ist vielmehr eine Bescheinigung in Papierform bei Krankengeld nach § 45 SGB V für die Betreuung versicherter Kinder sowie bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation/Kuren und schließlich beim eher seltenen Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wird, der nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Leider hat der Gesetzgeber in der Neuregelung für Unsicherheiten gesorgt. So kann der Arbeitgeber bekanntlich nach § 7 EFZG eine Entgeltfortzahlung verweigern, wenn der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verletzt. Dieses gesetzliche Recht wurde nun aber nicht auf den Fall erweitert, dass der Arbeitnehmer seiner neuen Verpflichtung zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht nachkommt. Welche Konsequenzen sich ergeben und auf welcher Grundlage der Arbeitgeber seine Zahlungen doch verweigern kann, bleibt daher vorerst unklar. Man wird dies vermutlich in der Praxis vorerst im Einzelfall zu entscheiden haben.

Handlungsbedarf im Hinblick auf die Anpassung von Arbeitsverträgen besteht aktuell nicht: Die Vorlagepflicht ab dem ersten Krankheitstag lässt sich weiterhin einseitig anordnen und möglicherweise vom Arbeitgeber gewünschte Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften zu Lasten der Arbeitnehmer sind nicht zulässig.

Urlaubsanspruch und Hinweispflicht, BAG vom 20.12.2022

Bereits im Februar 2019 entschied das BAG, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nicht mehr automatisch erfolgt, sondern davon abhängig ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den drohenden Verfall seiner Urlaubsansprüche informiert.

Jetzt hat das BAG in drei „brandaktuellen“ Urteilen vom 20.12.2022 die Rechte der Ar-beitnehmer nochmals deutlich ausgeweitet. Auch die Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen soll nämlich davon abhängen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallfristen hinreichend in Kenntnis gesetzt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Darüber soll die inzwischen weitgehend bekannte 15-Monatsfrist/-grenze zum Verfall von Urlaubsan-sprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern nur noch dann zur Anwendung kommen, wenn zuvor der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer entsprechend informiert hat. Das BAG folgt mit seinen Entscheidungen dem EuGH, der erst im September 2022 in drei Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, Urt. vom 22.09.2022, C-120/21; C 518/20 und C 727/20) die Hinweispflichten der Arbeitgeber beim Urlaub deutlich verschärft hat.

Im ersten vom BAG entschiedenen Fall (Urt. vom 20.12.2022 - 9 AZR 266/20) hatte eine Steuerfachangestellte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Abgeltung ihres nicht genommenen Jahresurlaubs aus den Jahren 2013 bis 2017 geklagt, den sie wegen der hohen Arbeitsbelastung nicht nehmen konnte, was zwischen den Parteien unstreitig blieb. Als die ehemalige Mitarbeiterin im Jahr 2018 die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich ihr Arbeitgeber auf die Verjährung dieser Ansprüche. Aller-dings hatte er zuvor nicht darauf hingewiesen, dass der Urlaub verfallen kann, wenn die Arbeitnehmerin ihn nicht rechtzeitig nimmt. Das BAG setzte die Vorgaben des EuGH in seinem Urteil um und bestätigte, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub zwar grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung unterliege (§§ 214 Abs. (1), 194 Abs. (1) BGB). Allerdings beginne die dreijährige Verjährungsfrist nicht zwangsläufig mit dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Ver-fallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.

Dieser Hinweisobliegenheit war der Arbeitgeber im konkreten Fall nicht nachgekommen. Die Urlaubsansprüche der Mitarbeiterin verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums noch konnte der Arbeitgeber mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt.

Die zwei weiteren Entscheidungen des BAG vom 20.12.2022 (9 AZR 401/19 und 9 AZR 245/19) hatten die Urlaubsansprüche von zwei Klägern zum Gegenstand, die infolge ihrer Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht nehmen konnten. Die Kläger machten jeweils Urlaubsansprüche für ein Jahr geltend, in dessen Lauf sie aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig bzw. erwerbsgemindert waren. Sie hätten den Urlaub aber bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise in Anspruch nehmen können.

Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG verfielen die gesetzlichen Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres automatisch (so die seit Jahren geltende „15-Monatsfrist“).

Diese Rechtsprechung hat das BAG nun aber teilweise verschärft, indem es die Vorgaben des EuGH auch insoweit konsequent umgesetzt hat. Hiernach bleibt es zwar dabei, dass der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist verfällt, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese – eben wegen der durchgehenden Erkrankung - nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Wenn dagegen Mitarbeiter im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet haben, bevor sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig oder voll erwerbsgemindert wurden, setzt der Verfall des Urlaubsanspruchs für dieses Jahr regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitneh-mer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. In diesem Fall wird der Fristbeginn der 15 Monate deshalb erst nach Erfüllung der Hinweisobliegenheit durch den Arbeitgeber ausgelöst. Der Resturlaub für das Jahr, in dem der Mitarbeiter erkrankte oder voll erwerbsgemindert wurde, bleibt dann zu seinen Gunsten erhalten, wenn der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten bis zum Zeitpunkt der Erkrankung nicht nachgekommen ist, obwohl ihm dies möglich war.

Empfehlung: Einmal im Jahr schriftlich über Urlaubsansprüche informieren

In der Konsequenz dieser Entscheidungen liegt es, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis offene Urlaubstage ggf. auch nach Jahren in Anspruch genommen werden können, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht (hinreichend) nachgekommen ist. Nach den Entscheidungen des BAG vom 20.12.2022 sollten Arbeitgeber diese daher nachweisbar beachten, um eine Verjährung oder einen Verfall des Urlaubsanspruchs zu erreichen.

Wir empfehlen allen Arbeitgebern daher dringend, ihre Arbeitnehmer einschließlich der langzeiterkrankten Mitarbeiter mindestens einmal jährlich - spätestens zum Ende des dritten Quartals - auf ihren noch bestehenden Urlaubsanspruch hinzuweisen, zur rechtzeitigen Beantragung aufzufordern und zugleich über die Konsequenzen der Nichtannahme zu belehren. Hierfür empfiehlt sich mindestens die Textform (etwa per E-Mail, deren Empfang man sich bestätigen lassen sollte. Noch besser wäre sicher ein schriftliches Dokument mit Empfangsbestätigung oder auch entsprechender Hinweis zusammen mit der Gehaltsabrechnung. Denn nur wer diesen Nachweis erbringt, wird sich als Arbeitgeber noch auf die Verjährung bzw. den Verfall von alten Urlaubsansprüchen berufen können.

Inflationsausgleichsprämie, Gesetz ab 26.10.2022

Der Bundestag hat am 30.09.2022 die Einführung einer sog. Inflationsausgleichsprämie beschlossen, wonach Arbeitgeber seit dem 26.10.2022 unter bestimmten Voraussetzungen steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschüsse an ihre Mitarbeiter gewähren können. Dies ist seither Tagesthema in vielen Betrieben und stellt allen Arbeitnehmern in Deutschland in Aussicht, von ihrem Arbeitgeber zum Ausgleich der momentan hohen Inflation steuer- und sozialabgabenfrei eine Zahlung von bis zu EUR 3.000,00 zu erhalten.

Entgegen mitunter zu hörenden Forderungen ergibt sich hieraus für Arbeitgeber zwar die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmern eine solche Inflationsausgleichsprämie zukommen zu lassen, nicht aber die Pflicht zur Zahlung einer solchen Prämie. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zur Abmilderung der Inflation einen steuer- und sozialversicherungsfreien Betrag von bis zu 3.000,00 Euro auszahlen können (§ 3 Nr. 11c EStG). Ob und in welcher Höhe eine solche Prämie gewährt wird, steht jedem Arbeitgeber grundsätzlich frei.

Entscheiden sich Arbeitgeber allerdings dazu, diese Prämie an ihre Mitarbeiter zu leisten, gilt es einiges zu beachten, damit sich aus der möglichen Vergünstigung keine „böse Überraschung“ ergibt. Voraussetzung für die Steuer- und Abgabenfreiheit ist zunächst, dass die Leistung „zusätzlich“ zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Es dürfen daher nicht etwa bestehende Vergütungsbestandteile, auf die Arbeitnehmer bereits einen Anspruch haben, in eine Inflationsausgleichsprämie „umgewandelt“ werden. Dies gilt nicht nur für alle laufenden Vergütungsansprüche wie das monatliche Grundgehalt und etwaige Zulagen, sondern auch für Sonderzahlungen, soweit hierauf ein vertraglicher Anspruch besteht (z.B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Boni). Auch eine „Verrechnung“ mit schon bestehenden Ansprüchen ist schädlich. Die Rechtslage ist daher insoweit vergleichbar mit der noch weitläufig bekannten bei der sog. „Coronaprämie“ (§ 3 Nr. 11a EStG).

Bei der konkreten Gestaltung der Inflationsausgleichsprämie sind Arbeitgeber jedoch an-sonsten weitgehend frei. Zum einen ist eine Auszahlung in Geld möglich, wobei in diesem Fall weder der gesetzliche Höchstbetrag von EUR 3.000,00 geleistet werden muss noch ist die vom Arbeitgeber als angemessen erscheinende Prämie zwingend auf einmal auszubezahlen. Es ist vielmehr ohne weiteres zulässig, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern z.B. in der Zeit zwischen Januar 2023 und Dezember 2024 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von insgesamt EUR 1.200,00 in monatlichen Teilbeträgen von jeweils EUR 50,00 gewährt. Sowohl ein derartiger (Gesamt-)Betrag als auch der Bezugszeitraum entsprächen den gesetzlichen Vorgaben.

Zum anderen können den Mitarbeitern als Inflationsausgleichsprämie auch Sachbezüge im Wert bis zu EUR 3.000,00 geleistet werden. Wegen des notwendigen Inflationsbezugs kommen hierfür insbesondere Tank- und/oder Einkaufsgutscheine in Betracht. Unabhängig davon, ob sich Arbeitgeber zu einer Geldzahlung oder zu einer Sachleistung entschließen, ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht das Nachfolgende zu beachten.

Ein etwaig bestehender Betriebsrat ist – ggf. in Form einer Betriebsvereinbarung - zu beteiligen, wenn es darum geht, welche Mitarbeiter die Prämie in welcher Höhe bekommen sollen, da es sich hierbei um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung handelt, § 87 Abs. (1) Nr. 10 BetrVG. Denn auch insoweit hat der Betriebsrat zwar kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber solche zusätzliche Leistungen gewährt, aber im Rahmen der Verteilung, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschlossen hat, ist der Betriebsrat zu beteiligen.

Zumindest in Betrieben ohne Betriebsrat sollten die Mitarbeiter über eine evtl. geleistete Inflationsausgleichsprämie unbedingt schriftlich unterrichtet werden. Wichtig dabei ist insbesondere der Hinweis auf die Freiwilligkeit, damit etwa bei Zahlung mehrerer Teilbeträge keine betriebliche Übung mit entsprechenden Folgeansprüchen entsteht. Bei Gewährung der Prämie ist zudem der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, wobei daran zu erinnern ist, dass die Rechtsprechung hierzu relativ enge Voraussetzungen entwickelt hat, so dass der Arbeitgeber keineswegs jede unterschiedliche Behandlung rechtfertigen muss.

Die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie ist lediglich befristet im Zeitraum vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 möglich. Innerhalb dieses Zeitfensters können aber Arbeit-geber die Prämie bis zum Maximalbetrag von EUR 3.000,00 steuer- und sozialversicherungsfrei leisten.

Sofern Arbeitgeber die Inflationsausgleichsprämie nicht ohnehin mit einem schriftlichen Hinweis an seine Mitarbeiter verbindet, was aus Gründen der Motivation zu empfehlen ist, raten wir jedenfalls dringend dazu, die Prämie auf der Lohnabrechnung gesondert kenntlich zu machen. Auf diese Weise kann – insbesondere bei einer späteren Lohnsteuer- oder Sozialversicherungsprüfung - der erforderliche Zusammenhang zwischen der Leistung der Prämie und der Preissteigerung nachgewiesen werden.

 

Arbeitszeiterfassung, BAG vom 13.09.2022

Nach der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 verbreitete sich in der Praxis eine Unruhe und betriebsame Hektik Es besteht aber keine zwingende Notwendigkeit, gleich zu Beginn des Jahres 2023 Umstellungen vorzunehmen. Die rechtliche Lage hierzu sowie die Aussichten der weiteren Entwicklung fassen wir Ihnen nachfolgend zusammen.

Gesetzlich ist es bislang schon so, dass § 16 Abs. (2) ArbZG eine Pflicht vorsieht, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen. Die werktägliche Arbeitszeit nach § 3 S. 1 ArbZG beträgt 8 Stunden. Daraus folgt, dass eine werktägliche Arbeitszeit über 8 Stunden genauso aufzuzeichnen ist wie jegliche Sonn- und Feiertagsarbeit. Dies ist natürlich weiterhin (und jetzt erst recht) zu beachten. Grundsätzlich gilt dies auch, wenn diese Grenze im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit überschritten wird, was sich dann aber ohnehin empfiehlt. Daneben bestehen in einigen Sondergesetzen Vorschriften zur Erfassung der Arbeitszeit, z. B. bei Minijobs oder wenn der Arbeitnehmer lediglich den Mindestlohn erhält.

Bereits 2019 hatte der EuGH nun entschieden, dass aus der Arbeitszeitrichtlinie eine Verpflichtung zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit folge. Da das Arbeitszeitgesetz auf der Arbeitszeitrichtlinie der EU beruht, stellte sich damit die Frage, ob das Urteil unmittelbare Auswirkungen auf die Pflichten deutscher Arbeitgeber hat. Dies wird im Ergebnis überwiegend verneint, weil eine Richtlinie der EU keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten entfaltet, sondern der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf. Der deutsche Gesetzgeber blieb aber seither untätig, sodass weiterhin keine Verpflichtung angenommen wurde, Arbeitszeitaufzeichnungen außerhalb des Geltungsbereichs des § 16 Abs. (2) ArbZG vorzunehmen.

Unruhe entstand dann durch eine aktuelle Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21). Dort ging es zunächst eigentlich nur um die Frage, ob der Betriebsrat ein Initiativrecht hat, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Und dies verneinte das BAG mit der (etwas überraschenden) Begründung, dass der Arbeitgeber bereits gesetzlich verpflichtet sei, ein System zur vollständigen Arbeitszeiterfassung einzu-führen, also über den Geltungsbereich des § 16 Abs. (2) ArbZG hinaus. Wenn aber schon eine gesetzliche Verpflichtung bestehe, könne der Betriebsrat keine Betriebs-vereinbarung zu einer solchen Regelung erzwingen (so die konsequente Begründung des BAG).

Bemerkenswert war, dass das BAG dann in seiner ausführlichen Begründung die Pflicht zur vollständigen Arbeitszeiterfassung gar nicht aus dem Arbeitszeitgesetz herleitete, sondern aus § 3 Abs. (2) Nr. 1 ArbSchG. Zu diesem Ergebnis gelangte das BAG, indem es diese Norm im Lichte der Arbeitszeitrichtlinie interpretierte (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Seit dem 03.12.2022 liegen nun auch die Entscheidungsgründe des Urteils vor. Das Bundesarbeitsministerium hatte zuvor erkennen lassen, dass es diese abwarten wollte, bevor es mit einem Gesetzentwurf tätig wird, der erfahrungsgemäß noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird.

Einen Großteil der Begründung des BAG nimmt die rechtliche Herleitung der richtlinienkonformen Auslegung ein, über die man trefflich streiten kann, was Ihnen als Arbeitgeber aber egal sein dürfte, denn für Sie zählen nur die Auswirkungen der Entscheidung. Rechtliche Konsequenzen für den Fall, dass man keine vollständige Arbeitszeitaufzeichnungen vornimmt, bestehen jedoch derzeit (noch) nicht. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. (2) Nr. 1 ArbSchG stellt keine Ordnungswidrigkeit oder Straftat dar und kann deshalb nicht geahndet werden, auch nicht mit einem Bußgeldbescheid. So jedenfalls die hierzu noch einhellige Auffassung.

Dies wäre erst dann möglich, wenn die zuständige Arbeitsschutzbehörde eine konkrete Anordnung getroffen hätte, Arbeitszeitaufzeichnungen durchzuführen und Arbeitgeber dieser dann nicht nachkommen. Dass solche Anordnungen gegenüber einzelnen Unternehmen erfolgen, ist aber eher unwahrscheinlich.

Diskutiert wurde kurzzeitig auch, ob sich bei einer Nichtaufzeichnung der vollständigen Arbeitszeit Beweiserleichterungen des Arbeitnehmers in einem etwaigen Über-stundenprozess ergeben. Dem hat aber ein anderer Senat des BAG mit einer Entscheidung vom Frühjahr 2022 eine Absage erteilt. An dieser Entscheidung wird sich auch durch das neue Urteil nichts ändern, weil der andere Senat des BAG im Frühjahr bereits deutlich gemacht hatte, dass seine Auffassung zur Beweislast bei den Überstunden selbst dann gelte, wenn man bereits jetzt, also ohne weiteres Tätigwerden des Gesetzgebers, von einer Pflicht zur vollständigen Arbeitszeitaufzeichnung ausgehen sollte.

Derzeit folgen für den Arbeitgeber also keine sofortigen Konsequenzen daraus, dass er noch keine vollständige Arbeitszeitaufzeichnung vornimmt. Es besteht aber die prinzipielle Gefahr, dass der deutsche Gesetzgeber (wieder) ein „überschießendes“ System einführt, auch wenn eine solche Tendenz bislang noch nicht erkennbar ist.

Die aktuelle Entscheidung des BAG bringt insoweit allerdings keine neuen Erkenntnisse, sondern verweist nur auf die bereits vom EuGH vorgegebenen Kriterien. Danach muss die Erfassung gerade nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass lediglich ein System zur Verfügung gestellt werden muss, wonach der Arbeitnehmer die Aufzeichnung selbst vorzunehmen hat, mithin die Pflicht auf den Arbeitnehmer delegiert wird. Gerade bei einer Vertrauensarbeitszeit könnte es dann sogar genügen, wenn man dies den Arbeitnehmer eigenverantwortlich erledigen lässt und die Einhaltung dieser Pflicht lediglich (etwa durch regelmäßige Vorlage) kontrolliert.

Wesentlich ist, dass das jeweilige System zu Ihren Bedürfnissen passt und es eine Zeiterfassung für sämtliche Mitarbeiter in den unterschiedlichen Funktionen ermöglicht, z.B. auch im Außendienst.

Das neue Nachweisgesetz, Gesetz ab 01.08.2022

Zum 01.08.2022 ist die Neufassung des Nachweisgesetzes in Kraft getreten, die auf einer europäischen Richtlinie aus dem Jahr 2019 beruht; der deutsche Gesetzgeber hat sich allerdings mit der Umsetzung etwas Zeit gelassen und zudem nicht von sämtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, welche die Richtlinie eröffnet hätte, insbesondere zur Digitalisierung.

Neu ist das Nachweisgesetz jedoch nicht. Bereits zuvor bestand seit 1995 die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn ein handschriftlich vom Arbeitgeber unterschriebenes Dokument auszuhändigen, in dem die wesentlichen Vertragsbedingungen festgehalten waren. Dabei ist zu bedenken, dass Arbeitsverträge grundsätzlich nicht formbedürftig sind, wenn man einmal von Besonderheiten wie Befristungsabreden absieht, sondern eben auch mündlich oder konkludent zustande kommen können.

Dass dem Nachweisgesetz in den letzten über 20 Jahren wenig Bedeutung zukam, hat vor allem zwei Ursachen. Zunächst konnten – und können weiterhin – die Nachweispflichten auch dadurch erfüllt werden, dass die erforderlichen Angaben in einem schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten sind. Und daneben fehlte eine echte Sanktion, wenn die Nachweispflichten nicht erfüllt wurden. Lediglich prozessual ergaben sich im Streitfall Beweiserleichterungen für Arbeitnehmer oder es kamen Schadensersatzansprüche in Betracht. Dies hat sich nun geändert, da Verstöße gegen das Nachweisgesetz durch die neue Regelung eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellen.

Auch inhaltlich hat sich einiges getan und durch das drohende Bußgeld haben manche Angaben größere Bedeutung erlangt, wie etwa solche zum Arbeitsort, die in Arbeitsverträgen häufig fehlten, wenn der Arbeitgeber ohnehin nur einen Standort unterhält. Ebenfalls dazu gehören die bisher schon nötigen Angaben zur Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, bei denen nun das Erfordernis einer getrennten Angabe der Entgeltbestandteile sowie des Fälligkeitszeitpunkts und der Art der Auszahlung hinzugekommen sind.

Angaben über Ruhepausen und Ruhezeiten sind jetzt auch aufzunehmen, sofern diese vereinbart sind, und bei einer Schichtarbeit müssen das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen schriftlich geregelt sein. Gleichfalls sind jetzt Angaben zur Anordnung von möglichen Überstunden und deren Voraussetzungen erforderlich.

Scheinen diese Angaben noch nachvollziehbar zu sein, sind weitere Inhalte hinzugekommen, deren Sinn sich nicht sofort erschließt, die aber einfach zu handhaben sind. Dazu gehören insbesondere Angaben über das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren; insoweit zumindest das Schriftformerfordernis, die Kündigungsfristen sowie die Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.  

Auch die Fristen, innerhalb derer der Nachweis auszuhändigen ist, haben sich geändert. Angaben über die Vertragsparteien, die Vergütung und die Arbeitszeit sind bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung erforderlich. Weitere Angaben müssen dann spätestens am siebten Kalendertag und die restlichen Angaben spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn erfolgen. Wem dies zu viel ist, der ist gut beraten, vor Arbeitsaufnahme einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu abzuschließen, der sämtliche erforderlichen Angaben enthält. Dies wird aber von den meisten Arbeitgebern ohnehin schon so gehandhabt.

Schriftlich bedeutet dabei übrigens mit jeweils eigenhändiger Unterschrift; die elektronische Form hat der Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen, obwohl die Richtlinie diese Möglichkeit vorgesehen hatte. Auch ein wirksam mit Unterschriften in elektronischer Form abgeschlossener Arbeitsvertrag kann daher die Nachweispflichten nicht erfüllen, so dass dann neben dem Vertrag der eigenhändig unterschriebene Nachweis erforderlich bleibt.

Die Neuregelungen gelten nur für Verträge, die ab dem 01.08.2022 abgeschlossen werden, und Bußgelder werden ebenfalls nicht für vergangene Verstöße fällig. Allerdings können Arbeitnehmer ergänzende Angaben verlangen, wenn ihr alter Arbeitsvertrag noch nicht alle nach dem aktuellen Nachweisgesetz erforderlichen Angaben enthält. Dieser Aufforderung muss der Arbeitgeber dann für einige Angaben nach sieben Tagen und im Übrigen vollständig einen Monat nach der Aufforderung durch den Arbeitnehmer nachkommen.

Nach dem 01.08.2022 abzuschließende Verträge müssen in jedem Fall den neuen Anforderungen genügen, wenn sie den schriftlichen Nachweis ersetzen sollen. Wurden bislang aber belastbare Vorlagen verwendet, hält sich der Anpassungsbedarf in überschaubaren Grenzen. Bei dieser Gelegenheit können die bislang verwendeten Vorlagen auch gleich auf Aktualität geprüft werden, was ohnehin von Zeit zu Zeit erfolgen sollte, um den jeweils neuen Anforderungen der in diesem Bereich relativ regen Rechtsprechung zu genügen.

 

 

Wenn Sie zudem ein arbeitsrechtliches Update (News aus Gesetzgebung und Rechtsprechung) wünschen, empfehlen wir den Besuch eines der IHK-Vorträge, die unser Kollege Dr. Gerhard Janasik (in Heilbronn gemeinsam mit unserem Kollegen Hansjoerg Krueger) im 1. Hj. 2023 an den nachfolgend angegebenen Terminen und Orten halten wird.
(Anmeldungen bitte direkt bei der jeweiligen IHK).

IHK Ostwürttemberg,
89520 Heidenheim

02.03.2023, 14:00 – 17:30 Uhr

 

IHK-Akademie Reutlingen,
72770 Reutlingen

09.03.2023, 14:00 – 17:30 Uhr

 

IHK Bodensee-Oberschwaben,
88250 Weingarten

23.03.2023, 16:00 – 19:30 Uhr

 

IHK-Zentrum für Weiterbildung,
74074 Heilbronn

26.04.2023, 14:00 – 17:30 Uhr